28.1.2005

Die Rheinische Post kam heute nur mit einer kleinen Meldung.

Bebauung Bochumerstraße 5-11 wird geprüft

Rath (ana) Auf dem Grundstück Bochumer Straße 5-11 ist der Bau eines Gebäude für die Unterbringung abhängiger und behinderter Menschen geplant. Die BV 6 hat nun einen Antrag auf Prüfung der Sozialverträglichkeit gestellt: Die Verwaltung soll dabei untersuchen, wie stark dieses Projekt den Ortsteil Rath sozial zusätzlich belasten würde.

Gleichzeitig erschien in derselben Ausgabe eine Anzeige:

RP Anzeige 28.1.2005

Diese Anzeige der Rather Geschäftsleute verwendet wieder alle „bösen“ Schlagworte. Mir fällt auf, daß die Köpfe hinter dem Widerstand gegen das Projekt, also die Personen um Herrn H., so völlig andere Worte gebrauchen, wenn sie in Gesprächen z. B. mit der Kirchengemeinde argumentieren, als wenn sie mit Aushängen usw. öffentliche Stimmungsmache betreiben.


21.1.2005

Die Rheinische Post schreibt den folgenden Artikel:

Weiter abwärts in Rath?

Ein von der Diakonie geplantes Wohnheim für Suchtabhängige an der Bochumer Straße stößt auf Widerstand im Stadtteil. Geschäftsleute der benachbarten Westfalenstraße sammeln Unterschriften.

Von Bernd Bussang und Heinrich J. Bongartz

Auf dem etwa 600 Quadratmeter großen Grundstück an der Bochumer Straße 5 bis 11 plant die Diakonie ein mehrgeschossiges Wohnheim für „chronisch Mehrfachabhängige“ mit 24 Plätzen. „Zielgruppe sind Menschen, die ein Suchtproblem haben – in der Regel mit Alkohol – und zusätzlich beeinträchtigt sind,“ so Christoph Wand, Sprecher der Diakonie. „Viele von ihnen sind körperlich und psychisch krank, von Armut betroffen, obdachlos, vereinsamt und leben am Rand der Gesellschaft.“

Der Kaufvertrag ist dem Vernehmen nach vorgezeichnet und soll in Kürze notariell beglaubigt werden. Doch gibt es inzwischen Widerstand auch aus dem politischen Raum des Stadtteils. Geschäftsleute der nahen Westfalenstraße fürchten eine Verschlechterung des Umfelds und somit weitere Umsatzeinbußen.

„Das Umfeld der zu betreuenden Kranken wird im Bereich der Bochumer Straße negativ sehr ins Auge fallen,“ meint Manfred Hacke vom gleichnamigen Modehaus und fragt: „Soll Rath noch weiter abgewertet werden?“

Schon jetzt sei der Stadtteil durch eine Vielzahl von Obdachlosenunterkünften und sozialen Brennpunkten belastet, meint der Geschäftsmann. Das geplante Wohnheim könnte die ohnehin schon angespannte Situation im Umfeld der Bochumer Straße weiter verschärfen. „Mehrere Kindergärten, Schulen und Sportvereine haben hier ihre Wirkungskreise,“ sagt Hacke. „Wir müssen die Diakonie davon überzeugen, daß der Standort für diese Einrichtung nicht der richtige ist,“ so Hacke. „Behinderte, die mehrfach abängig sind, gehören in eine stabile Umgebung.“ In insgesamt 20 Geschäften haben Hacke und Mitstreiter nun Unterschriftenlisten gegen das geplante Wohnheim ausgelegt. „Allein in meinem Geschäft haben bereits mehr als 500 Kunden unterschrieben,“ sagt Hacke.

Unterstützt wird er von CDU-Ratsfrau Sylvia Pantel: „Sie werden verstehen, daß ich nicht Ihr bestimmt notwendiges Projekt ablehne, sondern den Standort,“ schreibt sie an Diakonievorstand Thorsten Nolting. Ebenso wie Hacke verweist die CDU-Politikerin auf Untersuchungen der Stadt, nach denen Rath als „inhomogener Stadtteil mit hohem Ausländeranteil“ schon jetzt zu „den am höchsten sozial belasteten Bereichen im Stadtgebiet“ gehört. Ein erstes Info-Treffen Pantels und Hackes mit Vertretern der Diakonie konnte die Bedenken gegen das Projekt nicht zerstreuen. Am 17. Februar soll es nun einen Informationsabend für alle Bürger im Saal der Evangelischen Kirchengemeinde geben.

Formel braucht das Bauprojekt wegen der geringen Grundstücksgröße (unter 1000 Quadratmeter) nicht die Zustimmung der Bezirksvertretung. Wegen der Frage der Sozialverträglichkeit wäre eine vorherige Information durch die Diakonie aber wünschenswert gewesen, sind sich Verwaltungsstellen-Leiter Heinz-Günther Strerath und Bezirksvorsteher Jürgen Buschhüter (CDU) einig.

Info: Diakonie

Aufgaben: Die Diakonie in Düsseldorf ist ein evangelischer Wohlfahrtsverband für soziale Dienstleistungen. Als evangelischer Gemeindedienst nimmt er den Auftrag der 25 evangelischen Kirchengemeinden in Düsseldorf wahr.

Geschichte: Im Ersten Weltkrieg wurde ein „Evangelisches Jugend- und Wohlfahrtsamt“ gegründet, das als Wurzel des Wohlfahrtsverbands mit 70 Einrichtungen und 1200 Mitarbeitern gilt.

Sowie an anderer Stelle derselben Ausgabe:

Suchtheim und Stadion

Rath (hjb) Der geplante Bau eines Hauses für betreutes Wohnen von 26 Mehrfachabhängigen an der Bochumer Straße 5 bis 11 ist eines der Themen bei der ersten Sitzung dieses Jahres der Bezirksvertretung 6 am 26. Januar, 16 Uhr, im Sitzungssaal des Rathauses Münsterstraße 519. (…)

Interessant am Artikel von Herrn Bongartz ist, daß er die Interviewform gewählt hat, obwohl er in Wirklichkeit nur aus dem (öffentlichen) Briefverkehr von Frau P. und Herrn H. zitiert. Auch die offensichtlichen Unsachlichkeiten aus diesen Briefen (das polemisierende „Mehrfachabhängige“ statt des Fachterminus „chronisch mehrfach beeinträchtigte abhängige Menschen“) bleiben unkorrigiert; Herr Bongartz hat sich wohl nicht vorher sachkundig gemacht. Er gab der Diakonie auch wenig Chance, sich zu äußern – eine bereits angesetzte Pressekonferenz am heutigen Morgen wartete er nicht ab.


Wohlmeinende Ineffizienz: Wir_wollen_helfen

20.1.2005

Unter dem Namen Wir_wollen_helfen haben eBay und die Deutsche Post/DHL eine riesige Spendenaktion für Flutopfer in Südostasien initiiert.

Offenkundig eine löbliche Sache, doch fragt sich der genauer Analysierende: „Kann man sein Geld noch ineffizienter von A nach B tragen?“

Was geschieht? Wohlmeinende Privatpersonen spenden beliebige Gegenstände. DHL befördert sie portofrei zu einem Verteilerlager. Dort werden sie fotografiert, beschrieben und als Auktionsartikel bei eBay eingestellt. Andere wohlmeinende Privatpersonen ersteigern die Gegenstände, und DHL befördert sie (wiederum portofrei?) zu diesen. Angenommen wird alles, was sich in ein 20 kg-Paket stopfen läßt; es soll möglichst mindestens 25 Euro erlösen.

Soweit die Theorie. Die Praxis: Bewegt wird oft der letzte Dreck, verpackt wird lieblos, ankommen tun Scherben. Erlöst wird wenig. Die Käufer/Spender ergießen sich in Positivbewertungen im Tenor von „zum dritten Mal nur Bruch angekommen, und die Beschreibung war falsch, aber egal, Hauptsache wir helfen. Wer hier negativ bewertet, soll sich was schämen!“

In diesem Moment wurden 643.546 Euro Spenden erlöst. Dafür wurden 49417 Auktionen bemüht. 2175 positive und 38 negative Bewertungen zählen. Es wurden also nur bei 4 % der Auktionen überhaupt Bewertungen abgegeben – ihr Inhalt: s. o. Durchschnittlich brachte eine Auktion demnach 13 Euro. Traurige Seitenepisode: Mehrere Käufer berichten, daß sie 12 Euro (!) Nachporto bezahlen mußten – und das bei Paketen, die von DHL verschickt werden…

Bedenkt man, daß ein DHL-Paket mindestens 7 Euro kostet, schnell sogar 14 Euro, und daß es zweimal bewegt werden muß, vom Sachspender und dann zum Geldspender, im Mittel also 20 Euro Porti anfallen, und nimmt man an, daß die Gegenstände womöglich sogar noch einen Wert haben, bescheiden geschätzt je 5 Euro, so hätte es offensichtlich das Doppelte gebracht, wenn DHL und die eBay-Käufer jeweils den Geldbetrag gespendet hätten, der Postbote zu Hause geblieben wäre und der Absender die Ware in die graue Tonne gekloppt hätte. (Aufgerechnet werden kann, daß DHL natürlich nur Selbstkosten anfallen, dagegen steht aber ein Mehraufwand für das Fotografieren, Erfassen und Einstellen.)

Anscheinend muß man in unserer Spaßgesellschaft aber erst einen solchen Motivationsapparat einsetzen, um irgend jemand überhaupt zu einer Spende zu bewegen. Traurig.


Christen und das St.-Florians-Prinzip

19.1.2005

Die Diakonie will in unserem Stadtteil eine betreute Wohneinrichtung für chronisch mehrfach beeinträchtigte abhängige Menschen bauen. Das sind Menschen mit so unglücklichen Kombinationen von Krankheit und Lebensumständen wie z. B. Alkoholismus und Depression. Diese Menschen, die z. B. in Obdachloseneinrichtungen oft unzulänglich betreut werden und dann auf der Straße langsam zugrunde gehen, sind aber nun einmal kein erfreulicher Anblick. Daher machen die Geschäftsleute der Ladenstraße Front und versuchen mit allen Mitteln, diese Ansiedelung zu verhindern. In ihren Aushängen stellen sie die betroffenen Menschen als Junkies, Kleinkriminelle und Gefahr für die Allgemeinheit dar. Sie schildern Rath als „sozial belastet“ (was ich persönlich gern zum Unwort des Jahres erklären würde) und begründen damit, warum diese Menschen anderswo besser aufgehoben wären – irgendwoanders, nur bloß nicht hier.

Als Christ bin ich sehr traurig, das zu sehen. „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matth. 25,40b)“ sagt uns Christus. Dagegen steht hinter den Aussagen der Projektgegner, sie wollen die Einrichtung ja wohl, nur eben nicht in Rath, das unverhohlene St.-Florians-Prinzip („O heiliger St. Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ andere an“). Das ist purer Egoismus, das glatte Gegenteil von gelebter Nächstenliebe.

Wo soll diese Wohneinrichtung denn hin? Welcher Stadtteil hat denn wohl bitte keine „guten Gründe“ dagegen, es genau dort zu errichten? Ich schließe lieber mit Rio Reiser:

„Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wie, wenn ohne Liebe? Wer, wenn nicht wir?“


Unzufriedenheit

12.1.2005

Ich bin leicht zufriedenzustellen. Meistens jedenfalls. Denn ich bin gern zufrieden, und deshalb ist es am einfachsten – und am befriedigendsten -, zufrieden zu sein.

Ich bin gar nicht gern unzufrieden. Trotzdem habe ich derzeit eine rechte Liste von Unzufriedenheiten, was mich naturgemäß gar nicht befriedigt.

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Unser „Otto Mess“ Supermarkt. Obwohl ich sehr zufrieden mit dem Marktleiter, Herrn Dreschmann, der Mehrheit seines Personals, der Sortimentsbreite und -tiefe (obwohl ich weder Pierre-Cardin-Anzüge noch Fernseher in meinem Lebensmittelmarkt kaufen würde) und dem Angebot an Bioartikeln Marke Füllhorn (hrm, es ist noch viel zuwenig, aber eben mehr als anderswo) bin, mißfällt mir die unzulängliche Frische. Es stört mich, wenn ich Schimmel im Gemüseregal sehe, und zwar nicht nur einmal, es stört mich, wenn ich Haltbarkeitsdatumsdetektiv spielen muß, und zwar regelmäßig.
  • Mein Liebherr Premium Kühlschrank. Er hat ein Heidengeld gekostet, ist kein halbes Jahr alt, kühlt unbefriedigend und macht klingelnde Geräusche. Einen solchen Kühlschrank hatte ich schon einmal, in meiner Studentenbude, gebraucht für 20 Mark. Diesmal wollte ich eigentlich etwas anderes. Der Servicetechniker war schon zweimal da, behandelt uns sehr zuvorkommend. Aber er löst das Problem nicht. Außerdem hat er vergessen, einen von Anfang an kaputten Glasboden zu ersetzen.
  • Die Deutsche Bahn, ganz pauschal. Obwohl wir an Weihnachten erstmals pünktlich und ohne Verspätungen nach Hamburg reisen durften, war die Reise trotzdem eine Tortur. Schuld ist diesmal das Umsteigen. Mit einem Kinderwagen kann man das in acht Minuten schaffen. Wenn aber der erste Zug vier Minuten später kommt – im Bahn-Sinne sind weniger als fünf Minuten keine Verspätung, es braucht also nicht gewartet zu werden -, sind die verbleibenden vier arg knapp. Die alten Leute hinter uns dürften es nicht mehr geschafft haben. Wir schafften es, konnten aber nicht in unseren reservierten Wagen gelangen. Durch den Zug kann man mit einem Kinderwagen einfach nicht kommen, obwohl er vom Normmaß her paßt. So steht man bis zum nächsten Halt im Korridor. Außerdem verstehe ich nicht, wieso alle außer mir online das Familienabteil reservieren können, ich bin wohl zu blöd dafür.
  • IKEA. Und das will was heißen, denn ich bin ein echter Fan des schwedischen Möbelhauses. Aber seit wir dort mit unserer kleinen Lisa ein- und ausgehen, merken wir, wie viele Lippenbekenntnisse im Raum stehen, wenn es dort heißt „die wichtigsten Menschen der Welt“ seien Kinder. Faktisch fehlen zugesagte Eigenschaften wie Windeln, Gläschen, Stillecken an allen Enden.

Vorsicht, hoher Zynismusfaktor

3.1.2005

Der folgende Beitrag ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven; Weiterlesen wird ausdrücklich nur dem geraten, der sich zutraut, ein reales Problem mit großer Nüchternheit und damit unweigerlich zynisch zu analysieren.
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Deutschland zahlt keine Mehrwertsteuer

1.1.2005

Na, da sind wir ja mal gespannt, was Hans Eichel am Morgen des 3. Januar sagen wird: Der MediaMarkt wirbt, an diesem Tag zahle „Deutschland keine Mehrwertsteuer.“

Nun wissen wir, daß das schwerlich der MediaMarkt zu entscheiden hat. Deutschland mag morgen am Büdchen ein Bier kaufen wollen, und dann wird es interessante Diskussionen geben, wenn es versuchen würde, keine Mehrwertsteuer zu zahlen. Aber auch nur mit seinen eigenen Kunden wird der MediaMarkt Spaß haben: Einem einfachen Privatanwender wird man eben in Wahrheit 16 % Rabatt geben (das ist ja wohl die verklausulierte Message der Kampagne). Ein Gewerbekunde, der ein Notebook kauft, und die MwSt absetzen kann, wird schon mal irritiert gucken, wo sie denn wohl bleibe. Und Hans Eichel… nun gut, aber das Aufsetzen der USt-Voranmeldung ist tatsächlich nicht unsere Sache.

Natürlich ist die Kampagne heikel, und deshalb nicht zufällig so terminiert. Die Werbung läuft praktisch nur über das Silvesterwochenende, und die Aktion nur den Montag. Abmahnende Mitbewerber oder Emissionäre des Finanzministeriums, die jeweils beste Chancen haben dürften, dagegen vorzugehen, werden es schwer haben, auch nur einen Anwalt, geschweige denn einen Richter zu finden, der etwas unternimmt, damit am Montagmorgen nicht der erwünschte Run einsetzt.